13. Folge Wir brauchen dringend die Verkehrswende
Der Artikel aus dem Rad-Anzeiger 1-2024
Wir brauchen dringend die Verkehrswende
Seit 2018 behandeln wir in jeder Ausgabe des Rad-Anzeigers immer das gleiche Thema, nun also bereits zum 13. Mal: Wir brauchen dringend die Verkehrswende!!!! Hoffentlich ist die 13 diesmal eine Glückszahl, denn dann könnten wir uns darüber freuen, dass die Stadtverwaltung und die Stadtpolitik unsere Bitten erhören, endlich die dringend benötigte Verkehrswende einzuläuten. Leider müssen wir weiterhin befürchten, dass sie auf den zuständigen Organen blind und taub sind. Aber wie geht es dann in Leverkusen weiter? In der Stadtpolitik stehen uns schwierige Zeiten bevor. Warum? Die Parteien sind schon im Wahlk(r)ampfmodus für die Kommunalwahlen in NRW im Herbst 2025 und die/der neue Oberbürgermeister(in) wird gewählt. Erschwerend hinzu kommt, dass gleichzeitig Bundestagswahlen sind.
Im Wahlkampfmodus heißt leider auch, dass „man keine Entscheidungen treffen sollte, die über die Wahlperiode hinausreichen.“ So die Aussage eines Ratsherrn aus unserem Stadtrat.
Wenn diese Aussage ernst gemeint ist, befürchten wir, dass im Rat der Stadt Leverkusen bis Herbst nächsten Jahres keine Entscheidungen getroffen werden, die unser Verkehrsverhalten über Jahre hinaus beeinflussen werden. Das heißt, wir müssen weiterhin auf die Verkehrswende warten?
Liebe Stadtpolitiker:innen, das können Sie den Bürger:innen dieser Stadt nicht antun.
Wir brauchen Stadtpolitiker:innen, die den Mut zur Veränderung haben. Der Radverkehr und der ÖPNV sind Teil der Lösung für die Verkehrsprobleme in unserer Stadt. Wir brauchen keine Verbreiterung oder Neubau von Autobahnen, Bundesstraßen, Landstraßen oder kommunalen Straßen. Wir brauchen ausreichend breite Radwege, neue Radwegverbindungen, Radwege an Bundes- und Landstraßen, autofreie Fahrradstraßen, sichere Kreuzungen, sichere Fahrradabstellanlagen, fahrradfreundliche Ampeln und sichere Schulradwege.
Manchmal mangelt es jedoch nicht an Entscheidungen, sondern eher an der Umsetzung. Wir erinnern uns an die Entscheidungen im März 2021 über Fahrradstraßen und Fahrradzonen, die bis heute nicht umgesetzt sind. Hier muss die Stadtpolitik dringend Gelder der Stadtverwaltung für die Umsetzung dieser Entscheidungen zur Verfügung stellen. Geholfen hätten dabei die Blitzer auf der alten Autobahnbrücke. Die Einnahmen von 27,4 Millionen Euro hätten den Radverkehr und den ÖPNV in Leverkusen ein Stück nach vorne bringen können. Leider wurden mit diesen Einnahmen andere Löcher gestopft.
Wir wissen auch, dass die Kommunen nicht alle Wünsche für den Radverkehr umsetzen dürfen. Dagegen sprechen diverse Vorschriften, Richtlinien und Empfehlungen mit amtlichem Charakter; das Straßenverkehrsgesetz ist eines davon.
Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) anzupassen. Das Kabinett hat den Entwurf der Neuregelung des StVG im Juni verabschiedet und das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Allerdings fand der Gesetzesentwurf im Bundesrat nicht die erforderliche Mehrheit und konnte deshalb nicht in Kraft treten. Das zehnte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes sollte nach dem Willen der Koalition die Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs gewährleisten sowie auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigen. Daher warten alle darauf, dass jetzt der Vermittlungsausschuss angerufen wird.
Zurück nach Leverkusen. Für die SPD dauert es mit der Umsetzung des Mobilitätskonzeptes 2030+ viel zu lange. Sie will, wie auch der ADFC Leverkusen, dass es schneller geht. Dann müssen sich die anderen Parteien aber auch bewegen und etwas mehr tun.
Die Planungen für die RadPendlerRoute von Leverkusen-Mitte nach Köln und für den Zubringer von Opladen nach Leverkusen-Mitte ist schon weit fortgeschritten. Da hat das Tiefbauamt der Stadt tolle Arbeit geleistet.
Die neue RadKomfortRoute zwischen Leverkusen und Monheim wurde vom Kölner Planungsbüro Via im Auftrag der Stadt geplant. In diesem Plan müssen noch einige Details geklärt werden. Beispielsweise die Frage, ob eine Hälfte des Westrings zwischen der Olof-Palme-Straße und der Kurve hinter der Einmündung der Rheindorfer Straße für diese RadKomfortRoute genutzt werden kann. Oder ob eine neue Brücke für den Fuß- und Radverkehr über die Wupper gebaut werden muss (nach Ansicht des ADFC nicht unbedingt nötig, weil es andere Lösungen gibt). Wir werden die weitere Entwicklung beobachten und uns konstruktiv in die Planungen einbringen.
Die dringend benötigte Verkehrswende ist auch eine Forderung aus dem Klimaschutz. Der weitere Straßenausbau zieht zwangsläufig mehr Autoverkehr an, unsere Straßen werden immer voller. Die Staus auf der Quettinger Straße, Lützenkirchener Straße, Alkenrather Straße, Borsigstraße, Fixheider Straße, Europaallee, Rennbaumstraße und Herbert-Wehner-Straße spiegeln die täglichen Situationen in unserer Stadt wider.
Hinzu kommen die neue Autobahnbrücke mit 14 (!!!!) und die „Superstelze“ mit 13 (!!!!) Spuren und über 56 Meter Breite. Vor dem Autobahnkreuz wird die Stelzenautobahn bis zu 76 Meter breit. Sie wundern sich, dass wir von der Stelzenautobahn sprechen? Das hat die CDU-Bundestagsabgeordnete, Frau Serap Güler, in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger gesagt: „Es ist ziemlich klar, dass die Mega-Stelze durch Leverkusen kommt.“
Ist das jetzt schon so entschieden, Frau Güler? Was ist mit dem bisherigen organisierten Widerstand gegen die Stelze? Was ist mit der Aktion „Keinen Meter mehr“? Ist das alles hinfällig, weil Frau Güler es so entschieden hat? Bisher galt die FDP als „Autofahrer-Partei“. Bekommt die FDP mit der CDU einen Konkurrenten? Bei der Einweihung der neuen Autobahnteilbrücke waren nicht nur die FDP und CDU vorne, sondern auch die SPD in Person des Bundesgesundheitsministers, Professor Dr. Karl Lauterbach. Er hat seinem Parteikollegen, dem Oberbürgermeister unserer Stadt, Uwe Richrath, wohl den Platz weggenommen. Das Foto im Leverkusener Anzeiger vom Dienstag, 06. Februar, Seite 21, spricht Bände. Leverkusen wird von den Entscheidungsträgern in Berlin und in Düsseldorf nicht ernst genommen.
Der Gesundheitsminister hätte sich eher zu seinem Kollegen, dem Lungenfacharzt Dr. Mülleneisen und zu den Menschen, die gegen den Autobahnausbau demonstrierten, begeben sollen. Dann hätte er dem Vortrag von Dr. Mülleneisen entnehmen können, welche Gesundheitsschäden auf die Bürger:innen von Leverkusen durch den Mehrverkehr auf der verbreiterten Autobahn zukommen werden.
Wir bekommen nicht nur die Mega-Stelze mit 13 Spuren, sondern auch die Verbreiterung der A 3 auf 10 Spuren (!!!!). Das neue Autobahnkreuz wird viele Hektar Grünflächen für diese Verbreiterung versiegeln. Sie müssen sich nur die Autobahnbrücke an der Dhünn anschauen. Rechnen Sie auf beiden Seiten noch jeweils 15 Meter hinzu, so breit wird es werden! Oder schauen Sie sich die Autobahnbrücke an der Gustav-Heinemann-Straße an, die Syltstraße wird eingezogen. Diese Fläche wird für den Ausbau des Autobahnkreuzes benötigt!! Auf der anderen Seite, dort wo die Berufsbildenden Schulen stehen, wird der Grünzug an der Autobahn ersatzlos eingezogen. Dort wird es keine Flora und Fauna mehr geben. Es wird also alles nur für den Autoverkehr geopfert. Und die Entscheidung kommt aus Berlin von dem Bundesverkehrsminister, Dr. Volker Wissing von der FDP!
Was kann in Leverkusen noch für die Verkehrswende getan werden? Neben dem Ausbau einer sicheren Radinfrastruktur muss ein gutes Verkehrskonzept für den ÖPNV erstellt werden, damit die Wupsi ihre Busflotte endlich effizienter einsetzen könnte. Ein gutes Verkehrskonzept beinhaltet auch Schnellbuslinien, die ihren Namen verdienen. Wie wollen wir die dringend benötigte Verkehrswende erreichen, wenn der ÖPNV nicht richtig funktioniert? Wenn Busse ausfallen, weil Busfahrer fehlen und andere Busse fast leer durch die Stadt fahren. Da kann etwas am Verkehrskonzept nicht stimmen und die Stadtverwaltung muss nacharbeiten.
Wer will heute für 3 Euro mit dem Bus fahren? Der VRS-Tarif wird sich ab 01.07.2024 um weitere 10,4 % erhöhen. Dann kostet eine einfache Fahrt 3,30 Euro. Das heißt, ein Ehepaar bezahlt für eine Busfahrt von Rheindorf nach Wiesdorf und zurück jetzt 12 Euro, ab 01.07. 13,20 Euro. Und die Parkgebühren? Für 12 Euro kann man heute noch 8 Stunden am Marktplatz in Wiesdorf parken; die Preise wurden seit 2001 (!!!!) nicht erhöht.
Auf Initiative der CDU wurden die Parkgebühren beispielsweise in Schlebusch gesenkt bzw. ganz abgeschafft. Wie wollen die Stadtpolitiker:innen der CDU die Verkehrswende schaffen, wenn sie den ÖPNV verteuern und den Autoverkehr subventionieren? In Schlebusch können sie, Dank an die CDU, für 4 € den ganzen Tag parken. An dem Teilstück der Gezelinallee (bei Hit) wurde die Parkgebühr mit CDU-Mehrheit abgeschafft! In Wiesdorf zahlen die Autofahrer:innen seit über 22 Jahren unverändert 2 Euro, 2,40 Euro oder 3 Euro für zwei Stunden parken. Die ÖPNV-Kunden, die umweltbewusst mit dem Bus fahren, müssen jedes Jahr Tariferhöhungen zahlen. Wo sie 2005 noch für 1,70 Euro in die City fahren konnten, müssen sie heute 3 Euro zahlen. Eine Steigerung von 77 %!!!! Der Tariferhöhung wurde von den Vertretern der Kommunen in der VRS-Verbandversammlung zugestimmt. Der Vertreter aus dem Rat der Stadt Leverkusen ist CDU-Ratsherr. Was will die CDU noch tun, um die dringend benötigte Verkehrswende zu verhindern? Wie wäre es, die Parkgebühren analog zu den VRS-Tariferhöhungen zu erhöhen? Das wäre für die jetzige Parkgebühr von 2 Euro künftig 4 Euro. Oder für jetzige 2,40 Euro künftig 4,80 Euro. Oder für jetzige 3 Euro künftig 6 Euro. Liebe Parteien, einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.
Der ADFC Leverkusen schlägt vor:
- Die Parkgebühren analog den VRS-Tariferhöhungen zu erhöhen
- Die beschriebenen Steckbriefe des Mobilitätskonzeptes 2030+ werden noch in dieser Legislaturperiode beschlossen und die Finanzierung gesichert. Damit werden der Fußverkehr, der Radverkehr, der ÖPNV und der Autoverkehr gleichermaßen gefördert und nebenbei die Verkehrswende angeschoben. Dafür müssen die Ratsfrauen, die Ratsherren und die Bezirksvertreter:innen sowie die Ausschussmitglieder an einem Strang ziehen und parteiübergreifend für unsere Demokratie zusammenarbeiten.
- Ausbau der sicheren Radinfrastruktur (Neubau und Verbreiterungen der Radwege)
- Sichere Fahrradabstellanlagen, auch beim Einzelhandel
- Sichere Abstellflächen für Lastenfahrräder, auch beim Einzelhandel
- Fußgänger- und fahrradfreundliche Ampelschaltungen
- Einbau von mehr Fahrradzählstellen, um den Bedarf an Radinfrastruktur erkennen zu können
- Fahrradparkhäuser und Radstationen mit Tageswerkstätten
- Akku-Aufladeschränke in den Stadtteilzentren und an Discountereingängen.
Die Maßnahmen für die dringend benötigte Verkehrswende haben auch Einfluss auf unser Klima. Nicht nur die Mobilität muss sich verändern, auch das Versiegeln von weiteren Flächen in der Stadt erschweren das Leben der Menschen, die hier wohnen müssen. Das Klima verändert sich nicht nur mit der Bebauung von Freiflächen, es werden dabei auch die für das Stadtklima besonders wichtigen Kaltluftschneisen zerstört. Hinzu kommt, dass die Bebauungen häufig keine Fassadenbegrünung zulassen. Das wäre besonders wichtig für das Kleinklima und für die Kühlung der Bebauungen. Es reicht auch hier nicht aus, ein paar Bäume gegen das schlechte Gewissen zu pflanzen. Die vor vielen Jahren abgeschaffte Baumschutzsatzung muss für Leverkusen wieder eingeführt werden. Es muss Schluss sein mit dem sinnlosen Abholzen von Bäumen. Bäume machen unsere zunehmend stickige Stadtluft ein wenig sauberer.
Zu einem gesunden Stadtklima gehören auch Gärten mit einer Vielfalt von Blumen, Stauden und Gehölzen - keine Steingärten! Das sind Gärten des Grauens und für unsere Fauna ungenießbar. Der ADFC Leverkusen plant in diesem Jahr eine Radtour zu Steingärten in Leverkusen, die leider einfach zu organisieren ist.
Dass das Versiegeln von Flächen die Temperatur aufheizt, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass sich die am Tag aufgeheizte Atmosphäre nachts nicht abkühlen kann, weil es an offenem Boden und Pflanzen fehlt, die die Luft abkühlen können.
Dazu passt, dass wir 2023, global gesehen, den heißesten Sommer, der je gemessen wurde, hatten. In den Monaten Juni bis August hatten wir eine globale Durchschnittstemperatur von 16,7 Grad. Das entspricht einer Erwärmung von 0,66 Grad gegenüber dem Durchschnitt der Vorjahre.
Dazu passt ein Zitat von António Guterres:
„Die Hundstage des Sommers bellen nicht nur, sie beißen auch.“ António Guterres (74), UN-Generalsekretär, über die Sommerhitze.
Wir, der ADFC, tun alles, um die Sicherheit im Radverkehr nach vorne zu bringen. Es werden von allen Beteiligten, Politik und Stadtverwaltung, große Anstrengungen abverlangt. Wir wollen mit gutem Beispiel voran gehen, und uns offensiv für den sicheren Radverkehr einsetzen. Unser Alter (ich bin 70) spielt dabei keine Rolle. Das Privileg, uns nur dann zu äußern, wenn wir gefragt werden, lehnen wir ab. Wir machen unsere Münder auf, ohne gefragt zu werden. Wir werden immer wieder die Finger in die politischen Wunden legen. Wir werden solange um die Sicherheit der Radfahrenden kämpfen, bis ein gefahrloses Radfahren auf unsere Straßen Wirklichkeit ist.
Kurt Krefft