6. Folge: Wir brauchen dringend die Verkehrswende

Wir brauchen dringend die Verkehrswende

 

Der Artikel aus dem Rad-Anzeiger 2-2020

Wir brauchen dringend die Verkehrswende

Leverkusen hat seit dem 25.6.2020 ein Mobilitätskonzept

Der 25. Juni 2020 war ein denkwürdiger Tag im Rat der Stadt Leverkusen. Nicht nur, dass der Stadtrat weit über hundert Tagesordnungspunkte abhandeln musste, nein, der wichtigste Tagesordnungspunkt war die Nummer 77 - das „Mobilitätskonzept 2030+“, dem der Rat mit überwältigender Mehrheit zugestimmt hat. Diese Entscheidung ist gut für Leverkusen, für die Verkehrswende, für den Radverkehr, für den öffentlichen Personennahverkehr und letztlich für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt.

Das Mobilitätskonzept 2030+ zeigt Möglichkeiten auf, wie die Verkehrswende eingeleitet werden wird. Alle Politiker und die Verwaltung der Stadt Leverkusen wollen offenkundig die Verkehrswende. Aber es herrscht leider der Eindruck vor, dass es sich hier um das St. Florian-Prinzip handelt: „Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' and're an!“ Was bedeutet das? Mit der Sankt-Florian-Politik werden Verhaltensweisen (auch in der Politik) bezeichnet, die potentiellen Bedrohungen (wir brauchen die Verkehrswende) nicht zu lösen, sondern auf andere (oder später) zu verschieben. Daran ändert auch das Mobilitätskonzept 2030+ nichts. Zwar wurde dem Mobilitätskonzept 2030+ mit überwältigender Mehrheit zugestimmt (die zwei Gegenstimmen konnten keinen Einbruch verhindern), dennoch wird sich in der nächsten Legislaturperiode in den Bezirksvertretungen und im Stadtrat zeigen, wie ehrlich es unsere neugewählten VolksvertreterInnen meinen.

Die Zahl der PKW in Leverkusen steigt weiter an

Tatsache ist leider auch, dass die Zulassungszahlen der Autos weiter nach oben gehen. Die Anzahl der PKW erreichte Ende 2019 einen neuen Höchststand: 92.207 PKW (Quelle: Landesdatenbank NRW, Stadt Leverkusen). Das ist eine Steigerung innerhalb eines Jahres um 2,9%. Dabei sind die LKW und Motorräder noch nicht einmal mitgezählt. Und ein besonderer Trend ist auch auszumachen: die neu zugelassenen Autos hatten 2019 im Schnitt 158 PS, führend waren die SUV mit im Schnitt 172 PS. Und der größte Teil der SUV ist in den Städten zugelassen. Der motorisierte Individualverkehr scheint aufzurüsten. Dabei wird häufig außer Acht gelassen, dass die Autos heute breiter und länger geworden sind. Sah man vor Jahren in den Autobahnbaustellen die linke Spur nur für eine Fahrzeugbreite von 2,00 Metern zugelassen, so sind es heute durchgängig 2,20 Meter. Das wirkt sich auch auf den innerörtlichen Straßenverkehr aus, die Parkplätze reichen in der Breite kaum mehr aus, um die PKW ordentlich abzustellen. Immer wieder werden Teile des Rad- oder des Gehweges von parkenden PKW beansprucht. Der Radfahrer sowie die Fußgänger werden zurückgedrängt. Die Politik muss mutiger werden, um diesem Trend entgegen zu treten.

Der Parkdruck muss erhöht werden

Durch die Beschlüsse in den Bezirksvertretungen und im Rat der Stadt Leverkusen werden die Parkgebühren künftig stark reduziert. Jetzt wird es in Opladen sogar möglich sein, für 20 Cent pro Stunde parken zu können. In Wiesdorf kann man seinen PKW mit einem Tagesticket von 4 € den ganzen Tag abstellen. In Schlebusch hat der Autofahrer die Möglichkeit, sein Fahrzeug für 25 Cent pro Stunde zu parken (Monatsticket 40 €, 5 Tage/Woche 8 Stunden/Tag). Hier wird öffentlicher Grund und Boden für billiges Geld für den Autoverkehr verscherbelt. Kein Autokäufer erwirbt das Recht, immer und überall sein Auto billig oder möglichst umsonst abstellen zu dürfen.

Um die Ortsteile von dem zunehmenden (bewegten und stillstehenden) Autoverkehr zu entlasten, müssen die Parkgebühren erhöht werden. Erst dann entsteht der Anreiz, andere Verkehrsmittel zu nutzen. Denn die Zahlen sind untrüglich: 50% der Autofahrten haben Entfernung von bis zu 5 km. Würden also der Radverkehr und der ÖPNV gleichsam gefördert und die Parkgebühren erhöht, so ergäben sich für die Autofahrer auf den Kurzstrecken Anreize, auf Fahrrad oder ÖPNV umzusteigen. Dann wäre auch mehr Platz für die Autofahrer, die auf das Auto angewiesen sind.

Freie Auswahl des Mobilitätangebotes

Jeder soll sich das Verkehrsmittel aussuchen dürfen, mit dem er meint, bestens von A nach B zu kommen. Das sieht auch der ADFC so. Wir wollen niemandem vorschreiben, auf das Auto verzichten zu müssen. Wir wollen die Mobilität auch nicht einschränken, aber die Stadt Leverkusen, das Land NRW und der Bund müssen aufhören, den Autoverkehr zu subventionieren, hierzu gehören in Leverkusen unter anderem billige Parkplätze. Damit muss Schluss sein!!! Zur Erinnerung: die Forderung nach einer Verkehrswende geht nicht gegen das Auto, sondern für das Fahrrad.

Wir brauchen eine Umverteilung des Verkehrsraumes

60% des Verkehrsraumes beansprucht der Autoverkehr, der Radverkehr bisher nur 3%. Wenn also die Radfahrer doppelt so viel Verkehrsraum erhalten sollen, bedeutet das, dass der Autoverkehr nur 5% seiner Verkehrsfläche abgeben muss. Das wäre der Entwicklung der Radverkehrsinfrastruktur durchaus angemessen, denn auch die Fahrräder werden breiter! Es gibt nicht nur Fahrradanhänger, sondern auch zunehmend Lastenfahrräder. Diese können zwei oder drei Räder vorne oder hinten, haben, so sind sie nicht nur breiter, sondern haben auch ein höheres Zuladungsgewicht. Damit könnte beispielsweise der Paketzustelldienst entlastet werden. Mehr Lastenräder in unserer Stadt würden zu einer deutlichen Entlastung des Verkehrs führen. Deshalb brauchen wir breitere Radwege! Dafür muss die Politik möglichst bald sorgen.

Damit eine sichere Radverkehrsinfrastruktur aufgebaut werden kann, müssen der Bund, das Land und die Stadt die Gelder umleiten. Wenn für die Planung und den Ausbau einer sicheren Radverkehrsinfrastruktur im bestehenden Etat kein Geld vorgesehen ist, muss es dem Haushalt für den Neubau und Ausbau von Straßen entnommen werden. Wie heißt es realistisch? „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“. Der Ausbau der A 3 zwischen Opladen und dem Kreuz Hilden beispielsweise ist nicht erforderlich. Der Autoverkehr kann auf den vorhandenen sechs Autospuren abgewickelt werden. Im Berufsverkehr könnte auch der Standstreifen mitbenutzt werden. Das Geld für diesen Ausbau sollte das Land NRW in den Radverkehr stecken!

Sicherheit für den Radverkehr

Um die Sicherheit im Radverkehr zu erhöhen, sind mehrere Maßnahmen unumgänglich. Es beginnt damit, dass in Leverkusen mehr Straßen in Fahrradstraßen umgewandelt und mehr Schutzstreifen sowie mehr Radfahrstreifen angelegt werden müssen. Die Umsetzung von Vorrangschaltungen an den Ampeln als auch der Rückbau der freilaufenden Rechtsabbiegerspuren erhöhen zusätzlich die Sicherheit der Radfahrer. Auch die Forderung nach Radschnellwegen, die unsere Nachbarkommunen schon bis zur Stadtgrenze planen, macht den Radverkehr sicherer. Radschnellwege und RadPendlerRouten sollen die Radler schnell und sicher zur Arbeit und wieder nach Hause bringen. Radschnellwege werden vom Bund geplant und bezahlt, für die RadPendlerRouten müssen die Kommunen aufkommen. Zur Sicherheit gehört auch das Abstellen sowie das Anschließen der Fahrräder an sichere Radabstellanlagen oder in Fahrradparkhäuser. In Leverkusen wird am Bahnhof Opladen das erste Fahrradparkhaus entstehen. Der ADFC Leverkusen fordert Fahrradparkhäuser ebenso für alle anderen Bahnhöfe, damit hochwertige Fahrräder sicher untergebracht werden können. Dafür brauchen wir eine mutige Politik.

Sichere Radabstellanlagen

Nicht nur Fahrradparkhäuser gelten als sichere Radabstellanlagen, sondern auch Fahrradboxen. Am Busbahnhof in Wiesdorf und auf der Ostseite des Opladener Bahnhofs stehen jeweils 12 moderne Fahrradboxen. Diese sollten auch an den Bahnhöfen in Rheindorf, Küppersteg und Schlebusch aufgestellt werden. Das kann kurzfristig geschehen, denn nur der Bau von Fahrradparkhäusern muss von den Politikern in den Bezirken und im Rat der Stadt beantragt werden.

Wer soll das denn alles bezahlen?

Das Land NRW hat im Jahr 2019 nur für die Bundesautobahnen (ohne Bundes- und Landstraßen) 1,36 Milliarden € ausgegeben, für den Radverkehr gerade einmal 26,6 Millionen €. Das heißt, für den Ausbau der Autobahnen und deren Sanierungen wurden, auf die Einwohnerzahl gerechnet, 75 € pro Kopf ausgegeben. Für den Radverkehr waren es pro Kopf nur 1,47 €. Das Verhältnis muss sich ändern. Der ADFC fordert eine jährliche Investitionssumme von 30 € pro Einwohner für den Ausbau des Radverkehrs. Das wären für Leverkusen jährlich ca. 5 Millionen Euro!

Die Stadtentwicklung geht weiter

Wir fordern die Stadtplaner auf, die autogerechte Stadtplanung aufzugeben und mehr auf die Bedürfnisse der Menschen für eine lebenswerte Stadt Leverkusen einzugehen. Den Erfordernissen für eine vernünftige und zukunftsorientierte Stadt- und Verkehrsplanung muss Rechnung getragen werden. Der Radverkehr muss eine herausragende Rolle in der Verkehrsplanung spielen. Das Angstradeln muss aufhören! Wir, der ADFC Leverkusen, werben für eine lebenswertere Stadt- und Verkehrsplanung in Leverkusen, und wir sind bereit, daran mitzuwirken und mitzugestalten!

Kurt Krefft

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