5. Folge: Wir brauchen dringend die Verkehrswende
Wir brauchen dringend die Verkehrswende
Der Artikel aus dem Rad-Anzeiger 1-2020
Wir brauchen dringend die Verkehrswende
Kommt die dringend benötigte Verkehrswende jetzt doch noch? Das Mobilitätskonzept Leverkusen 2030+, das die Planersocietät, Dr.-Ing. Frehn, Steinberg & Partner, Stadt- und Verkehrsplaner, aus Dortmund in Zusammenarbeit mit Tollerort aus Hamburg in zwei Jahren erstellt hat, liegt der Stadt Leverkusen jetzt vor. Das Mobilitätskonzept geht durch die Ausschüsse, durch die Bezirksvertretungen und wird am 30. März in der Ratssitzung diskutiert und abgestimmt. Der ADFC hofft, dass dem Mobilitätskonzept zugestimmt wird. Der ADFC Leverkusen hat sich an der Erstellung des Mobilitätskonzept 2030+ aktiv beteiligt. Die Maßnahmensteckbriefe werden für die Politik und für die Verwaltung als Handlungsgrundlage zur Veränderung der Verkehrslandschaft in Leverkusen dienen. Noch einmal zur Erinnerung: Bei der Verkehrswende geht es nicht gegen das Auto, sondern für das Fahrrad und für den ÖPNV. Denn, wer kann die dringendsten Verkehrsprobleme in Leverkusen lösen? Wir denken, es ist nicht das Auto, sondern das Fahrrad und der ÖPNV.
Bundesverkehrsminister Scheuer 2019: „Wir werden ein Fahrradland Deutschland organisieren. Denn Fahrradfahren hat Zukunft und ist hochmodern und klimafreundlich.“
Radlerinnen und Radler sorgen für weniger Stau, weniger Abgase und weniger Lärm. Wer Fahrrad fährt, bewegt sich ständig an der frischen Luft, bringt seinen Kreislauf in Schwung, ist seltener krank und trägt somit zur Reduzierung der Gesundheitskosten bei. Der ÖPNV kann viele Menschen „von A nach B“ bringen und verstopft nicht unsere Straßen. Denn man muss sich vorstellen, wenn jeweils 50 Menschen jeweils ein Auto benutzen, wird eine Verkehrsfläche von ca. 325 Meter Länge besetzt. Wenn 50 Fahrräder benutzt werden, brauchen diese nur ein Fünftel, ca. 65 Meter, dieser Fläche. Und wenn 50 Menschen einen Linienbus benutzen, braucht dieser nur 17 Meter Verkehrsfläche. Mit diesem Beispiel kann man sich vor Augen halten, wieviel Verkehrsfläche die Autos beschlagnahmen. Untersuchungen haben ergeben, dass 50% aller Autofahrten eine Distanz von weniger als 5 km und 75% aller Autofahrten weniger als 10 Km zurücklegen. Diese Strecke kann man in einem gut vernetzten ÖPNV bequem mit dem Bus, per Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen. Und das Beste daran wäre, dass die übrigen Autofahrer genügend Platz hätten!
Die Politik braucht Mut, sich für die Verkehrswende zu entscheiden. Denn es ist nicht einfach, dem Autoverkehr Fläche zu entziehen, um damit Platz für den Radverkehr zu machen. Der Autoverkehr nimmt etwa 60% der gesamten Verkehrsfläche in Deutschland ein, der Radverkehr lediglich 3 %. Um dem Radverkehr 100% mehr Verkehrsfläche geben zu können, muss man dem Autoverkehr lediglich 5% von seinem Anteil an Verkehrsfläche nehmen. Dieser Verlust wäre für den Autoverkehr wahrlich kaum spürbar, bringt aber dem Radverkehr nahezu die doppelte Fläche. Wir denken, dass das ein guter Anfang sein könnte. Das ist aber ein Punkt, an dem die Autofahrer und die Autolobbyisten aufschreien. Unter diesem Aufschrei werden sich manche Politiker ducken und versuchen, klein beizugeben. Dieses Verhältnis ist nicht mehr zeitgemäß und eine bis heute nachwirkende Folge der autozentrierten Stadtplanung aus den 50er Jahren. Moderne Verkehrsplanung muss das Fahrrad als wichtiges Verkehrsmittel berücksichtigen und ihm ein gutes separates Wegenetz zur Verfügung stellen. Zurzeit wird nicht das Fahrrad, sondern das Kfz von der Politik und der Stadtverwaltung massiv bevorzugt. Das muss sich ändern.
Wir brauchen dringend die Verkehrswende. Und noch einmal zur Wiederholung: Es geht nicht gegen das Auto, sondern für das Fahrrad!
Die Zeiten sollten vorbei zu sein, in denen manch ein Haushalt zwei, drei oder noch mehr Autos besitzt. Es sind nicht „die anderen“, die unsere Straßen verstopfen, wir verstopfen unsere Straßen selbst. Bei allen Autofahrten sind ca. 80% der Autos nur mit einer Person besetzt. Das können Sie, liebe Leserinnen und Leser (ist vielleicht ein Politiker darunter?), leicht nachprüfen. Immer dann, wenn Sie an einer rot zeigenden Fußgängerampel stehen, können Sie die Autos und deren Insassen zählen. Ich habe es gemacht. Die Ergebnisse fallen eindeutig aus: 18:2, 12:1, 24:4, 16:1 (erste Zahl ein Insasse, zweite Zahl zwei oder mehr Insassen). Die Handwerker-, Bau- oder Lieferfahrzeuge werden nicht mitgezählt. Versuchen Sie es einmal, Sie werden staunen.
Um die Verkehrswende finanzieren zu können, muss die Stadt Leverkusen alle sich bietenden Möglichkeiten ausschöpfen.
Fördergelder rechtzeitig beantragen
Dazu gehört, dass es genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die mögliche Fördergelder rechtzeitig mit allen erforderlichen Unterlagen beim Land oder beim Bund anfordern können. Es ist fatal, wenn durch Personalmangel in der Stadtverwaltung Fördergelder nicht abgerufen werden können und damit „einfach liegen bleiben“.
So kann es notwendig sein, das Personal der Stadtverwaltung aufzustocken. Und das kann nur über die Politik erfolgen, die dafür die Weichen stellt.
Fördergelder wurden um 900 Millionen € aufgestockt
Liebe Politikerinnen und liebe Politiker, haben Sie den Mut und entscheiden sich für die Förderung des Radverkehrs. Der Bundesverkehrsminister hat die Grundlage dazu geschaffen: Der Etat für den Radverkehr erhöht sich von 2019-2023 um 900 Millionen Euro. Jetzt muss die Verwaltung nur, die Förderhilfen beim Bund und beim Land rechtzeitig beantragen. Da stehen auch die Landespolitikerin Frau Lux und Landespolitiker Herr Scholz, sowie der Bundespolitiker Herr Dr. Lauterbach in der Pflicht. Alle drei können die Verwaltung rechtzeitig über die Vergabe von Fördergeldern informieren.
Es muss eine sichere Radweginfrastruktur entwickelt werden
Eine Verkehrswende beginnt mit der Entwicklung einer sicheren Radweginfrastruktur in Leverkusen. Es müssen sichere Radwegverbindungen zwischen den Stadtteilzentren geschaffen werden. Die Anbindungen an die geplanten Radschnellwege der anderen Kommunen (von/nach Düsseldorf, Langenfeld, Monheim, Leichlingen, Bergisch Gladbach und Köln) müssen in die Stadtplanung aufgenommen werden. Dafür braucht die Stadt dringend zusätzliche Radverkehrsplaner.
Bundesverkehrsminister Scheuer 2019: „Wenn eine Pendlerin auf das Rad steigt, dann braucht sie einen durchgängig gesicherten Radweg. Dafür haben wir Mittel in Rekordhöhe zur Verfügung gestellt“.
Zurzeit hat aber der Autoverkehr die Stadt sehr gut im Griff. Ein Großteil der Fläche in der Stadt ist von Autos belegt. Vor allen Dingen nimmt davon der ruhende Verkehr, das Parken, einen sehr großen Teil ein. Damit ist nicht der private Bereich wie Garagen, Hinterhöfe und Carports gemeint, nein hier geht es um den öffentlichen Raum, den das Auto selbstverständlich für sich einnimmt. Der größte Teil der Autos steht an Straßenrändern, teils sogar auf Bürgersteigen (wird von der Stadt billigend geduldet), auf Parkplätzen und in Parkhäusern. Bekanntlich stehen Autos täglich im Durchschnitt 23 Stunden(!!!) still. Und wenn diese Stehfahrzeuge auf öffentlichem Grund und Boden stehen, bezahlen die Autofahrer nur einen Bruchteil des Grundstückwertes in Form von Parkgebühren.
Das Parken muss deutlich teurer werden
Über die Höhe der Parkgebühren wird in Leverkusen immer wieder heiß diskutiert. Haarsträubende Argumente werden gebracht: Die Kunden wandern (fahren mit dem Auto) in andere Kommunen ab, die Kaufkraft und viele Arbeitsplätze gehen verloren. Nichts hat sich davon bewahrheitet, als andere Städte Maßnahmen ergriffen, um den innerstädtischen Autoverkehr zu reduzieren. Die Politiker kämpfen mit Scheinargumenten um jede Wählerstimme. Dabei sagt kein Politiker, dass sich die Parkgebühren seit 2001 nicht erhöht haben!!! In Leverkusen kann man heute, wie auch damals, für 2,40 Euro zwei Stunden parken. Auf dem Parkplatz an der Ecke Stauffenbergstraße/Lützenkirchener Straße kann man sogar für etwa 24 Eurocent die Stunde parken. In Köln wird beispielsweise für 20 Minuten 1 Euro genommen, Höchstparkdauer 4 Stunden mit 12 Euro.
Dagegen haben die Politiker in den Gremien des VRS immer einmütig für Preiserhöhungen im ÖPNV gestimmt. Ungeachtet der Tatsache, dass damit die ÖPNV-Nutzer verärgert werden. Aber das sind ja keine Autofahrer, auf diese braucht also keine Rücksicht zu nehmen. Werden also die Preiserhöhungen im VRS seit 2002 prozentual ebenso auf die Parkgebühren aufgeschlagen, so hätte die Stadt heute statt 2,40 Euro satte 4,30 Euro für zwei Stunden Parkdauer einnehmen können. Aber schon bei einer Erhöhung der Parkgebühren um 10 Eurocent schreien einige Parteien und Wählervereinigungen „Zeter und Mordio“. Dabei gehört der öffentliche Raum doch allen Menschen, auch jenen, die kein Auto besitzen oder kein Auto fahren. Warum glauben die Menschen in unserer Stadt, dass kostenloses Parken vor der Haustür ein Menschenrecht ist? Warum hat in der Stadtverwaltung niemand den Mut, in schmalen Straßen mehr einseitige Parkverbote einzurichten?
Übrigens, die Gebühren der Parkplätze von privaten Betreibern (z.B. Hit, Schlebuscher Arcaden, REWE) sind wesentlich höher und entsprechen eher der Realität. Da meckert niemand.
Kurt Krefft